Kreative Prozesse mit Lehm
Lehm nimmt mit Wasser und Sonne Zustandsformen von flüssig bis fest ein. Wie er Kindern nicht nur üppiges Futter für die Sinne bietet, sondern auch ihrem Spannungsabbau dient und Materialkreisläufe erfahrbar macht, beschreibt der Lehmwerkstattbegleiter Daniel Duchert.
Mein Einstieg in das Universum der lehmigen Böden waren deren harmonische Farbtöne. Bei Regen, Sonne und Wind ändern sie ihre Zustandsformen in fest, plastisch oder flüssig – drei Hände voll Inspiration. Was mich vor gut zwei Jahrzehnten lockte, fasziniert mich bis heute, und gern lasse ich mich immer wieder davon überraschen, welchem Lockvogel Kinder in dieses Universum folgen.
Verwandlungskünstler
In einem Mörtelkasten von z.B. 90 Liter Fassungsvermögen oder einem handelsüblichen Mörteleimer können wir erdfeuchte oder trockene Lehmklumpen mit einem Hammer oder Spaten zerkleinern. Auch ein längeres Kantholz eignet sich gut als Stößel. Ist der Mörtelkasten halb mit zerkleinertem Lehm gefüllt, geben wir 6 bis 10 Liter Wasser hinzu und rühren das Ganze kurz um. Solche ungefähren Angaben sind in der Lehmarbeit üblich und erklären sich damit, dass die Arbeit mit Lehm stets auch eine Arbeit mit Gefühl für das Material ist. Den mit Wasser durchmischten Lehm lassen wir über Nacht sumpfen. Dabei saugen sich die Lehmklumpen mit Wasser voll und werden weich. Am nächsten Morgen durchstechen und vermengen wir das Ganze mit dem Spaten. Dann arbeiten wir mit den Händen weiter. Den für das Plastizieren besten Zustand hat der Lehm erreicht, wenn er gut durch unsere Fingerf lutscht. Man bemerkt, wie die kleinen und großen Sandkörner dabei unsere Hände massieren. Damit die Kinder bei Bedarf auch mit vollem Körpereinsatz in die Arbeit mit dem Lehm hineingehen können, bieten wir ihnen eine große Menge weichen Lehms an. Eine solche gute Größe ist um die 50 Liter. Dem üblichen Tisch gegenüber lädt eine auf den Boden gestellte Holzplatte zu weiteren neuen Arbeits- und Bewegungsformen ein. Hier können die Kinder lebensgroße Figuren in die Höhe bauen. Dafür kann man ihnen dünne Holzstäbe oder Enden von Weidenruten bereitstellen. Traditionelle Holzrandsiebe eignen sich wunderbar als Prägewerkzeug für »Münzen«. Mit etwas Fantasie lässt sich ein Prägebereich mit einfachen Alltagsgegenständen und -materialien installieren.
Mit doppelt oder dreimal soviel Wasser verwandelt sich plastischer Lehm in eine flüssige Schlämme. Durch ein Küchensieb gedrückt, lässt sich aus dieser eine wunderbare Farbe herstellen. Als Maluntergrund eignet sich 1,60 m breite Jute von der Rolle mit einem Flächengewicht von 410 g/m2. Am günstigsten kauft man sie als Meterware beim Großhändler auf Rollen mit 100 lfm. Erste Erfahrungen lassen sich auch mit nur 1,00 m breiter Jute machen, die leichter zu erwerben ist. Die Jutebahn klemmen wir links und rechts zwischen je zwei stabile Latten, die die Stoffbahn unten und oben um ungefähr 20 cm überragen. Den Jutestoff tackert man dafür zuerst an die erste Latte. Dann verschraubt man die zweite Latte fest mit ihr. Die gesamte Konstruktion lässt sich am einfachsten mit vier Zurrgurten aus dem Baumarkt zwischen Bäumen oder im Boden eingelassenen Baumstämmen aufhängen und spannen. Dieser Arbeitsschritt gelingt am besten, wenn man zu dritt ist. Bemalte Jute eignet sich wunderbar als Hintergrundkulisse für Aktionen, zum Herstellen von Lehmskulpturen oder fürs Bemalen von in den Boden gerammten kindshohen Holzknüppeln. Wenn sich die Malfarbe auf diese Art von einer zweidimensionalen Fläche in den Raum ausbreitet, entstehen lebendige Orte, die zu weiteren Aktionen wie vielleicht einem Theaterspiel einladen. Mit Lehmfarbe kann jedoch nicht nur auf Jute gemalt werden. Sie eignet sich hervorragend auch als Tauchbad für andere Textilien und Materialen. Es lassen sich abgehängte Skulpturen oder auch flächige Collagen auf Hartfaserplatte kreieren. Bereits mit zwei Farbtönen können interessante Farbverläufe und Rissbilder entstehen. Auch unser eigener Körper kann zur Leinwand werden. Zusätzlich mit Pflanzen geschmückt, erleben wir eine intensivste Annäherung an die Natur – Kleider der Natur als wohltuender Gegenpol zur omnipräsenten Medien- und Unterhaltungstechnik.
Daniel Duchert entdeckte seine Affinität zum Lehm im Innenarchitekturstudium und schloss das Aufbaustudium Lehmarchitektur in Grenoble ab. Er ist Autor der im verlag das netz erschienen Publikation Die Erde ist bunt – Atelierarbeit mit Lehm und seit 2013 als Fachplaner für Bildungsräume, Fortbildner, Lehmwerkstattbegleiter und Lehmgestalter tätig. Weitere Impulse zur Arbeit mit Lehm und Informationen u.a. zu Daniel Durcherts eintägigen Fortbildungen »Simple Erde – Brillante Pädagogin. Werkstattarbeit mit Lehm« im nordöstlich von Hamburg gelegenen Bargteheide bietet seine Website www.gestalten-mit-lehm.de.
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Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 09-10/2024 lesen.