Teilhabe fördern mit BeoKiz
In allen deutschen Bundesländern ist die Beobachtung und Dokumentation von Bildungs- und Entwicklungsprozessen in den frühkindlichen Bildungsplänen und -programmen verankert. Für die Umsetzung stehen bundesweit unterschiedliche Materialien und Verfahren zur Verfügung. In Zeiten eines Verständnisses von Partizipation als Schlüssel zu Bildung und Demokratie liegt es nah, Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren zu entwickeln, die Kinder aktiv einbeziehen und zu selbstwirksamen Akteur:innen ihrer Bildungsprozesse werden lassen und wir nicht mehr nur für, sondern mit den Kindern beobachten und dokumentieren. Ein solches Verfahren ist das im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie entwickelte BeoKiz. Gemeinsam veranschaulichen Julia Schröder-Moritz, Pädagogin und Co-Autorin des Verfahrens, und die Kita-Leitung Heike Scholtz, wie BeoKiz im pädagogischen Alltag Anwendung findet.
Malin nimmt die Steckzylinder aus dem Regal und stellt sie vorsichtig auf den Teppich. Sie greift jeden Zylinder mit drei Fingern und steckt hochkonzentriert einen Zylinder nach dem anderen in die Löcher. Als am Schluss ein Zylinder übrig ist, der nicht in das letzte Loch hineinpasst, denkt sie über eine Lösung nach. Sie zieht alle Zylinder wieder heraus und legt sie nebeneinander auf den Teppich. Danach ordnet sie diese der Größe nach. Sie probiert mehrfach aus, in welcher Reihenfolge sie die Zylinder stecken muss. Dabei zählt sie die zehn Zylinder immer wieder ab.
Eine Beobachtung wie diese entspricht dem 1. Schritt im 3 x 3 der Beobachtung (siehe Kasten »BeoKiz verbindet«). Sie ist eine bewusste Wahrnehmung der Bildungsprozesse von Kindern, die uns »innehalten lassen«. Die Beobachtung im BeoKiz-Verfahren basiert auf genau solchen Situationen: Alltagshandlungen, Spielsituationen und Abläufe, die tagtäglich in jeder Kita stattfinden. Eine BeoKiz-Beobachtung unterscheidet nicht zwischen Mahlzeiten, selbst gewähltem Spiel, pädagogischen Angeboten oder Ausflügen. Im BeoKiz- Gedanken findet Bildung in allen Situationen statt, die Kinder aktiv gestalten oder mitgestalten – und daher eignet sich auch jede Situation, um sie zu be-(ob)achten. Unsere Aufgabe wiederum besteht darin, Augen, Ohren und Herz zu öffnen und unseren Blick dahingehend zu schulen, Bildungsprozesse in alltäglichen Handlungen zu erkennen.
Aus dem Augenwinkel beobachte ich Malin, wie sie sich die Steckzylinder aus dem Regal nimmt. Ich halte inne: Ist das vielleicht das erste Mal, dass sie sich den mathematischen Materialien zuwendet? Das finde ich spannend und ich beobachte die Situation genauer.
Kinder sind aktive Gestalter:innen ihres Tages. Deshalb sind Kinder im BeoKiz-Verfahren auch in der Beobachtungssituation bewusst teilnehmend.
Jede Beobachtung bezieht das Kind und dessen Sicht aktiv mit ein. Das BeoKiz-Verfahren lehnt eine hierarchische Trennung zwischen den beobachtenden Erwachsenen und den zu beobachtenden Kindern ab. Stattdessen wird eine teilnehmende Beobachtung betont, bei der wir Teil der Handlung werden können und sollen.
Ich setze mich zu Malin auf den Teppich und schaue ihr zu. Sie erklärt mir, dass es »große und kleine Dinger« und »dicke und dünne« gibt und das »alle einen Platz haben«. Sie probiert mehrfach aus, in welcher Reihenfolge sie die Zylinder stecken muss, und zählt sie dabei immer wieder ab. Ich erlebe sie als sichtlich stolz, als alle Zylinder passend stecken. Wir kommen ins Gespräch über die Reihenfolge, sortieren und denken gemeinsam darüber nach, ob »dick« und »groß« das Gleiche ist. Das finde auch ich eine interessante Frage.
Durch die veränderte Perspektive kann genau solch eine gemeinsame Situation auch zur Beobachtung genutzt werden. Beobachtung wird nicht mehr losgelöst von den Spielsituationen verstanden. Warum hat Malin sich die Steckzylinder genommen? Hat sie Interesse am Bildungsbereich Mathematik? Sind es die Steckzylinder oder ist es das Material? Oder vielleicht das Sortieren? Findet sie das Hineinstecken und Herausziehen bedeutsam? Liegt der Fokus auf dem Abzählen? Oder möchte sie ihre Ruhe haben und die Matheecke war gerade frei? Was die Handlung des Kin- des leitet, können wir nur vermuten. Um die Gedanken der Kinder, ihre Lebenswelt und ihre Perspektive kennenzulernen, ist es besonders wirksam, wenn wir mit dem Kind ins Gespräch kommen und seine Sicht der Dinge erkunden. Dann können wir diese Erkenntnisse gleichberechtigt in die Auswertung der Beobachtung einbeziehen.
Julia Schröder-Moritz ist Mitautorin des BeoKiz-Verfahrens und Institutsleitung am KiTeAro-Institut für Bildung, Forschung und Entwicklung in der Pädagogik Berlin, das von der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie mit der berlinweiten Implementierung des BeoKiz-Verfahrens beauftragt ist. Heike Scholtz ist Kita-Leitung in der Berliner Kita Loftschloss gGmbH und hat mit ihren Kolleg:innen das BeoKiz-Verfahren erprobt. Mehr zum BeoKiz-Verfahren erfährt man in der Im September im verlag das netz erscheinenden Publikation BeoKiz Verfahren zur Beobachtung, Dokumentation und Einschätzung im KiTa-Alltag: kindzentriert und ganzheitlich von Julia Schröder-Moritz, Ruben Maué und Irene Dittrich oder direkt auf der Seite des KiTeAro-Instituts: www.kitearo.de/BeoKiz/Das-BeoKiz-Verfahren/
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Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 07-08/2024 lesen.